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Brief für Steuerpflichtige im Privatbereich des Monats April 2012


Sehr geehrte Damen und Herren,


der Ihnen nun vorliegende Brief möchte Sie über wesentliche, vollzogene oder geplante Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu überprüfen.

Bitte lesen Sie im Einzelnen:


Inhalt

1.

Kunst demnächst nur noch zum Regelsteuersatz (19 %)?

2.

Haftung des ausscheidenden Gesellschafters als Scheingesellschafter

3.

VuV: Einkünfteerzielungsabsicht bei Vermietung und anschließendem Verkauf

4.

Wie lange darf ein Arbeitgeber mit der Verdachtskündigung warten?

5.

Einkünfteerzielungsabsicht bei Verzugszinsen vorhanden?

6.

Mehrarbeit muss grundsätzlich vergütet werden

7.

Gilt die 1-Prozent-Regelung auch bei Mittagsheimfahrten nach Hause?

8.

Investitionsabsicht bei Anschaffung einer Photovoltaikanlage

9.

Frage nach Schwerbehinderung doch zulässig?

10.

Ist die Doppelbelastung mit Umsatz- und Grunderwerbsteuer zulässig?

11.

Strafzumessung bei Steuerhinterziehung in Millionenhöhe

12.

(Nur) Hälftiger Betriebsausgabenabzug im Rahmen einer Betriebsaufspaltung

13.

Keine erweiterte Gewerbesteuerkürzung bei Betrieb einer Photovoltaikanlage

14.

Entfernungspauschale umfasst auch die 2. tägliche Fahrt zur Arbeit

15.

Nachweis von Krankheitskosten unterliegt strengen Regeln

16.

Beschwerde gegen die Insolvenzverfahrenseröffnung nach Eigenantrag?

17.

Wann sind Steuern "in großem Ausmaß" hinterzogen?

18.

Entfernungspauschale für offensichtlich verkehrsgünstigere Verbindung?

19.

Berechnung der Schadensersatzhöhe bei anrechenbaren Steuervorteilen

20.

Urlaubsanspruch darf nicht von effektiver Mindestarbeitszeit abhängen

21.

Anrechnung nicht festgesetzter Steuer nach Verjährung korrigierbar?

22.

Enge Voraussetzungen für Schadensersatzanspruch bei Mobbing



1. Kunst demnächst nur noch zum Regelsteuersatz (19 %)?

Rechtslage
Die Lieferung sowie Vermietung von Kunstgegenständen und Sammlungsstücken unterliegt nach dem deutschen Umsatzsteuergesetz (UStG) dem ermäßigten Steuersatz von 7 %. Die Vorschriften der EU-Mehrwertsteuersytemrichtlinie (MwStSystRL) benennen konkret Gegenstände und Dienstleistungen, auf die durch die EU-Mitgliedstaaten ein ermäßigter Steuersatz angewendet werden darf; eine umsatzsteuerliche Begünstigung der Lieferung und Vermietung von Kunstgegenständen und Sammlungsstücken ist hingegen nicht vorgesehen.

Neues von der EU-Kommission
Die EU-Kommission hat Deutschland nun aufgefordert, die begünstigenden Vorschriften zu streichen, weil auf Lieferungen von Kunstgegenständen und Sammlungsstücken in der EU der Normalsteuersatz (19 %) anzuwenden ist.

Konsequenzen
Deutschland hat zwei Monate Zeit, zu der Aufforderung Stellung zu beziehen. Kulturpolitiker sehen schon die "Identität der Kulturnation Deutschland" gefährdet. Allerdings dürfte dies die EU-Kommission kaum interessieren. Fakt ist, dass Deutschland bisher von einer Sonderregelung profitiert hat, für die es keine europarechtliche Grundlage gibt. Es ist daher wahrscheinlich, dass Kunstwerke in naher Zukunft teurer werden. Wer vor der Entscheidung steht, sich privat noch das eine oder andere Kunstwerk an die Wand zu hängen, sollte sich daher nicht allzu lange Zeit mit dem Kauf lassen.

2. Haftung des ausscheidenden Gesellschafters als Scheingesellschafter

Rechtslage
Der ausscheidende Gesellschafter einer Personengesellschaft haftet grundsätzlich für Verbindlichkeiten fort, die während seiner Mitgliedschaft begründet wurden (Altverbindlichkeiten), wenn für den Anspruch im Zeitpunkt des Ausscheidens der Rechtsgrund gelegt war. Bei Dauerschuldverhältnissen genügt der Abschluss des Vertrags, solange die Vertragsidentität gewahrt ist. Eine Haftung kann überdies als Scheingesellschafter begründet werden, sofern der Gesellschafter nicht gegen den gesetzten Rechtsschein vorgeht.

Sachverhalt
Der Kläger schloss im Jahr 2003 mit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Gesellschafterin auch die Beklagte war, einen Verwaltervertrag für ein von ihm vermietetes Wohnhaus. Die Vergütung leistete der Kläger monatlich per Dauerauftrag. Durch Gesellschafterbeschluss ist die Beklagte zum 30.9.2005 aus der Gesellschaft ausgeschieden. Ihr Anteil ist dem weiteren Gesellschafter angewachsen, der die Geschäfte der GbR alleine fortsetzte. Im April 2006 wurde dem Kläger unter der Firma der GbR jeweils eine Rechnung für die Hausverwaltungstätigkeit 2005 und 2006 übermittelt. Aufgrund des irrigen Verständnisses des Klägers, überwies er zusätzlich zu den Zahlungen aus dem Dauerauftrag die ausgewiesenen Beträge, deren Rückzahlung er nun mit der Klage verlangt, aber zunächst erfolglos blieb.

Entscheidung
Der BGH gab dem Kläger schließlich doch Recht und verwies die Sache an die Vorinstanz zurück. Eine Haftung für Altverbindlichkeiten liegt nicht vor, denn die Doppelzahlung begründet sich nicht in dem zum Zeitpunkt des Ausscheidens bestehenden Verwaltervertrag, sondern in dem irrigen Verständnis des Klägers über die Zahlungsverpflichtung. Dennoch könnte eine Haftung der GbR als Scheingesellschafterin begründet sein, wenn die Beklagte gegen den gesetzten Rechtsschein nicht pflichtgemäß vorgegangen ist und ein Dritter sich auf den Rechtsschein verlassen hat. Wenn nach Außen eine Veränderung im Gesellschafterkreis nicht ersichtlich ist, muss sich der ausgeschiedene Gesellschafter nämlich so behandeln lassen, als bestehe der bisherige Rechtszustand fort. Die Vorinstanz hat nun zu ermitteln, welche zumutbaren Maßnahmen die Beklagte zur Zerstörung des Rechtsscheins vorgenommen hat.

Konsequenz
Die Haftung des Gesellschafters aus Rechtsscheingründen ist nicht zu vernachlässigen. Er hat aktiv zumutbare Maßnahmen zur Zerstörung des Rechtsscheins einzuleiten. Die Benachrichtigung von Vertragspartnern bei Dauerschuldverhältnissen ist grundsätzlich ratsam.

3. VuV: Einkünfteerzielungsabsicht bei Vermietung und anschließendem Verkauf 

Kernaussage
Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unterliegen der Einkommensteuer. Unter Einkünften ist dabei der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu verstehen. Zur Abgrenzung von der nicht steuerbaren Liebhaberei ist es notwendig, dass der Steuerpflichtige die Absicht hat, einen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben auf die Dauer der Nutzung der Einkunftsquelle zu erzielen. Das Finanzgericht Münster hatte kürzlich zu klären, ob eine Wohnungseigentümerin auch dann eine Überschusserzielungsabsicht hat, wenn mit dem Mietvertrag zugleich eine Veräußerung an den Mieter nach Ablauf der Mietzeit vereinbart ist.

Sachverhalt
Die 80-jährige Klägerin hatte in den dem Streitjahr vorangegangenen Jahren erfolglos versucht, eine Eigentumswohnung zu verkaufen, die sie als Feriendomizil genutzt hatte. 2005 schloss sie mit einem Kaufinteressenten einen notariellen Vertrag ab. Dessen Gegenstand war ein Angebot zum Abschluss eines Grundstückskaufvertrags sowie ein Mietvertrag. Die Wohnung wurde zunächst für zwei Jahre an den Interessenten vermietet unter der Bedingung, dass dieser der Klägerin zuvor ein unwiderrufliches Angebot zum Erwerb der Mietsache nach Ablauf der Mietdauer unterbreitet. Der Interessent wurde sodann im Parallelverfahren wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. In den dortigen Urteilsgründen ist ausgeführt, dass er die Klägerin bei Abschluss des Miet-/Kaufvertrags über seine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit getäuscht hat. In ihrer Einkommensteuererklärung machte die Klägerin einen Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen geltend. Der Wunsch, die Wohnung erst anzumieten und danach zu kaufen, sei seitens des Mietinteressenten geäußert worden. Das Finanzamt wollte den Verlust aus Vermietung und Verpachtung nicht anerkennen. Der Klägerin habe bei Vertragsabschluss die notwendige Überschusserzielungsabsicht gefehlt; es sei ihr ausschließlich um den Verkauf der Immobilie gegangen.

Entscheidung
Das Finanzgericht gab der Klägerin Recht. Sie hätte bei vertragsgemäßer Abwicklung des Mietvertrags offensichtlich einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten erzielt. Anhaltspunkte dafür, dass bei dem wirksam abgeschlossene Miet-/Kaufvertrag ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vorliegen könnte, waren nicht ersichtlich. Auch wurde durch die tatsächlich gewählte rechtliche Gestaltung kein Steuervorteil erzielt. Hierbei ist für die Feststellung des Steuervorteils auf den Zeitpunkt bei Vertragsabschluss abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt durfte die Klägerin aber von einer ordnungsgemäßen Vertragserfüllung und damit von einem Überschuss der Mieteinnahmen über ihre Werbungskosten ausgehen.

Konsequenz
Ein gleichzeitig mit Abschluss eines Mietvertrages abgeschlossener Kaufvertrag spricht nicht grundsätzlich gegen eine Einkunftserzielungsabsicht. Anders zu entscheiden ist lediglich dann, wenn bei Abschluss des Mietvertrags feststeht, dass - etwa aufgrund hoher Finanzierungskosten und erhöhten Abschreibungen - auch bei ordnungsgemäßer Zahlung der Miete während des Mietzeitraums kein Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen sein wird.

4. Wie lange darf ein Arbeitgeber mit der Verdachtskündigung warten?

Kernfrage
Eine fristlose Kündigung kann auch auf den bloßen Verdacht einer Straftat gestützt werden (Verdachtskündigung). Allerdings muss in diesen Fällen ein ausreichender Tatverdacht vorliegen und nachgewiesen werden können. Angesichts der insoweit bestehenden Beweisschwierigkeiten wird der Arbeitgeber dahin tendieren, möglichst lange mit der Kündigung zu warten, um die Verdachtsmomente zu erhärten. Das Arbeitsgericht Mönchengladbach hat dazu entschieden, welchen Zeitraum dieses Zuwartens der Erhärtung des Tatverdachts der Arbeitgeber verstreichen lassen darf, bevor eine Verdachtskündigung - ähnlich wie eine fristlose Kündigung, die innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis vom Kündigungsgrund ausgesprochen sein muss - unwirksam ist.

Sachverhalt
Die Kläger waren in der städtischen Grünpflege beschäftigt; sie hatten Arbeiten für Privatleute durchgeführt und dafür Geld erhalten. Hiervon erfuhr der Arbeitgeber im November 2011, kündigte jedoch erst im Dezember 2011. In den hierzu geführten Kündigungsschutzklagen räumten die Kläger zwar die Fremdarbeiten ein, erklärten jedoch, das Geld sei nicht Entlohnung, sondern Zuwendung aus Dank gewesen, die sie in die Kaffeekasse der Abteilung eingezahlt hätten.

Entscheidung
Das Gericht gab den Klägern recht. Zwar habe mit den Privatarbeiten und der Annahme von Geld - gleich ob dieses in die Kaffeekasse gegangen sei - ein möglicher fristloser Kündigungsgrund vorgelegen. Im Falle des betroffenen Vorarbeiters wäre die fristlose Kündigung auch nach Abwägung aller Interessen wirksam gewesen. Allerdings habe der Arbeitgeber die Zwei-Wochen-Frist ab Kenntnis von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen nicht eingehalten. Diese gelte auch im Falle der Verdachtskündigung. Der Arbeitgeber habe schlicht zu lange ermittelt.

Konsequenz
Die entscheidende Aussage der Entscheidung ist, dass die Zwei-Wochen-Frist der fristlosen Kündigung auch für Verdachtskündigungen gilt. Faktisch beginnt die Frist mit Entstehung des ersten Anfangsverdachts. Dies zeigt, wie insbesondere auch beweisschwierig Verdachtskündigungen sind. Die Alternative hätte darin bestanden, eine verhaltensbedingte Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist auszusprechen.

5. Einkünfteerzielungsabsicht bei Verzugszinsen vorhanden?

Kernproblem
Wird man als Bürge in Anspruch genommen und muss zur Erfüllung der Zahlungsverpflichtung ein Darlehen aufnehmen, dann stellt sich nicht nur die Frage nach einem steuerlichen Abzug der Aufwendungen. Zumindest wenn sich später herausstellt, dass die Inanspruchnahme zu Unrecht erfolgte und die vor Gericht erstrittene Rückzahlung mit Zinseinnahmen verbunden ist, möchte das Finanzamt hieran beteiligt werden. Erscheint dieser Gedanke bereits verwegen, dann muss das erst recht für den Fall gelten, dass die aufgewendeten Darlehenszinsen steuerlich nicht abgezogen werden können. Aber genauso wollte es das Finanzamt.

Sachverhalt
Der Bürge einer GmbH, der aber nicht deren Gesellschafter war, wurde mit fast 1 Mio. EUR zu Unrecht in Anspruch genommen. Hiergegen klagte er vor dem Landgericht und bekam nach fast 10 Jahren im Jahr 2002 Recht. Die Bürgschaftssumme wurde wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückgezahlt und mit 256.000 EUR verzinst. Der Bürge selbst musste im Jahr der Inanspruchnahme ein Darlehen aufnehmen, für das er bis einschließlich zum Jahr 1998 fast 269.000 EUR an Zinsen zahlte. Unterm Strich blieb ihm also ein Verlust. Den Zinsertrag versteuerte das Finanzamt im Jahr 2002 nach Abzug von Rechtsanwaltskosten als Kapitaleinkünfte. Das Finanzgericht prüfte im Klageverfahren einen Totalüberschuss und war wie das Finanzamt der Auffassung, dass der Refinanzierungsaufwand unberücksichtigt bliebe, weil er im Zusammenhang mit der Bürgschaftsverpflichtung - nicht der Zinserträge - stehe. So ging es weiter zum Bundesfinanzhof (BFH).

Entscheidung
Diesmal gewann der Bürge. Die Steuerpflicht der Erträge als solche aus Kapitalvermögen bestätigte der BFH, weil Verzugszinsen aus ertragsteuerlicher Sicht keinen Schadensersatz, sondern Entgelt für die unfreiwillige Vorenthaltung zustehenden Kapitals darstellten. Jedoch stehe auch der Zinsaufwand in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den späteren Zinseinnahmen, denn bei einer erzwungenen Kapitalüberlassung reiche die Darlehensaufnahme zur Erfüllung der (letztlich nicht gerechtfertigten) Forderung aus. Eine besondere subjektive Bestimmung der Schuldzinsen für Zwecke der Erzielung von Verzugszinsen sei nicht erforderlich. Wenn es bei den Zinseinnahmen aus erzwungener Kapitalüberlassung lediglich auf die Steigerung der Leistungsfähigkeit ankäme (nicht die Einkünfteerzielungsabsicht), müsse gleiches auch für die Aufwendungen gelten.

Konsequenz
Weil nach periodenübergreifender Betrachtung durch Einbeziehung der Zinsaufwendungen (wenngleich nicht bei Verausgabung geltend gemacht) kein Totalgewinn zu erzielen war, schied auch ein Ansatz der Einnahmen im Jahr 2002 aus (Behandlung wie "Liebhaberei").

6. Mehrarbeit muss grundsätzlich vergütet werden

Rechtslage
Die Vergütung von Überstunden ist regelmäßig Streitthema in Arbeitsverhältnissen. Dem Grunde nach galt der Grundsatz, dass Überstunden/Mehrarbeit in Freizeit auszugleichen ist. Nur in Ausnahmefällen oder bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn kein Freizeitausgleich mehr möglich war, galt eine Abgeltung in Geld. Das Bundesarbeitsgericht scheint diesen Grundsatz jetzt aufzugeben.

Sachverhalt
Der Kläger hatte während seiner Tätigkeit rd. 1.000 Überstunden angesammelt. Nach dem Arbeitsvertrag war eine 42-Stunden-Woche vereinbart und der Kläger verpflichtet, bei betrieblichen Erfordernissen ohne gesonderte Vergütung Überstunden zu leisten. Am Ende des Arbeitsverhältnisses klagte er auf Auszahlung der Überstunden der letzten drei noch nicht verjährten Jahre.

Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht gab dem Kläger recht, weil der im Arbeitsvertrag enthaltene Ausschluss einer Überstundenvergütung unwirksam sei. Zur Begründung führte das Bundesarbeitsgericht aus, dass der Kläger bei Beginn des Arbeitsverhältnisses nicht habe wissen können, was auf ihn zukomme und damit nicht gewusst habe, welche tatsächliche Arbeitsleistung mit dem Bruttogehalt abgegolten sein sollte. In Ermangelung einer wirksamen Vergütungsregelung sei die angemessene Vergütung für die Mehrarbeit zu zahlen. Dies gelte jedenfalls in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer nicht wegen eines höheres Gehalts erkennen könne, dass Überstunden erwartet werden.

Konsequenz
Die Entscheidung bedeutet in ihrer Konsequenz, dass bei Niedrig- und Normalverdienern Überstunden in Geld auszahlen sind, wenn es keine wirksame vertragliche Abrede über die Überstunden/Mehrarbeit gibt. Dem Grunde nach sind solche Klauseln aber (noch) weiterhin zulässig. Darüber hinaus wird man mit Ausschlussfristen arbeiten müssen, um zu verhindern, dass der vollständige Regelverjährungszeitraum von drei Jahren ausgeschöpft werden kann.

7. Gilt die 1-Prozent-Regelung auch bei Mittagsheimfahrten nach Hause?

Kernproblem
Zu sehr auf die Auskunft seiner Gemeindeverwaltung hatte sich ein hauptamtlicher Bürgermeister zu Beginn seiner Amtszeit verlassen, was die Besteuerung seines Dienstwagens angeht. Er bekam gesagt, dass das Fehlen eines Fahrtenbuchs bei Lohnsteuer-Außenprüfungen nie zu Beanstandungen geführt habe. So wurde das "Behördenfahrzeug" des Bürgermeisters niemals Bestandteil eines geldwerten Vorteils, obwohl die Nutzung für Fahrten zwischen Wohnung und Rathaus und Zwischenheimfahrten am Mittag gestattet war. Ob hier die Landesfinanzverwaltung anderer Auffassung war?

Sachverhalt
Die Lohnsteuer-Außenprüfung hatte von der Dienstwagennutzung erfahren und wollte die Besteuerung des geldwerten Vorteils nach der 1 %-Methode für die private Nutzung und des 0,03 %-Zuschlags für die Fahrten zum Rathaus vornehmen. Der Bürgermeister wehrte sich damit, dass ihm der Gemeinderat eine Privatnutzung des Dienstwagens untersagt und lediglich die morgendlichen und mittäglichen Fahrten zwischen Wohnung und Rathaus akzeptiert habe. Zudem sei ein Behördenfahrzeug kein betriebliches Fahrzeug. So habe sich der Bürgermeister ständig, z. B. wegen möglicher Feuerwehreinsätze, in Ruf- und Dienstbereitschaft befunden. Und wenn er sich in den Wagen setze und im Gemeindegebiet unterwegs sei, seien diese Fahrten grundsätzlich dienstlicher Natur, weil dadurch den Bürgern die Präsenz der Verwaltung vermittelt werde und es häufig dringende Gründe gebe, unterwegs anzuhalten und dienstlich tätig zu werden. Und zu guter Letzt sei es zu Vandalismusvorfällen vor dem Rathaus gekommen, die das Parken vor dem Privathaus rechtfertigten. Weil keine Einigung erzielt wurde, stritt man beim Finanzgericht (FG) weiter.

Entscheidung
Das FG Baden-Württemberg folgte der Auffassung des Finanzamts und berücksichtigte beide Bestandteile des geldwerten Vorteils. Zu Begründung führte das FG aus, dass auch Behördenfahrzeuge betriebliche Kraftfahrzeuge seien, die sich zum geldwerten Vorteil eignen. Somit seien auch die Fahrten zwischen Wohnung und Rathaus nicht allein wegen der damit verbundenen Präsenz im Gemeindegebiet grundsätzlich dienstlicher Natur. Zwar rechtfertige die bloße kommunalrechtliche Zulässigkeit einer privaten Nutzungsüberlassung keine Rückschlüsse auf eine tatsächliche Privatnutzung. Hierauf käme es aber im Streitfall nicht an, weil für mittägliche private Zwischenheimfahrten ein Werbungskostenabzug nicht möglich und damit auch nicht mit dem 0,03 %-Zuschlag abgegolten sei. Dieser zusätzliche Nutzungsvorteil könne vielmehr nur durch die Fahrtenbuch- oder 1 %-Regel steuerlich erfasst werden.

Konsequenz
Eine Lösung nach Gutsherrenart widersprach hier dem Gesetz. Den Bürgermeister hätte nur ein Fahrtenbuch gerettet, um den Sachbezug möglichst gering zu halten. Ohne Mittagsheimfahrt wäre lediglich der 0,03 %-Zuschlag zum Ansatz gekommen. Denn nach neuerer Rechtsprechung des BFH gibt es keinen Beweis des ersten Anscheins, dass der Arbeitnehmer einen ihm zu dienstlichen Zwecken überlassenen Pkw daneben auch privat nutzen darf.

8. Investitionsabsicht bei Anschaffung einer Photovoltaikanlage

Kernproblem
Die Photovoltaikanlage mauserte sich in den vergangen Jahren durch staatliche Förderung und günstige Zinsen immer mehr zum Sparmodell. Wer den gewonnenen Strom zudem ins öffentliche Netz einspeist, wird steuerlich zum Unternehmer und Gewerbetreibenden. Dies rief nicht nur den Birkenstock-tragenden Ökobauern auf den Plan, sondern auch andere Berufsgruppen, die bis dahin nur wussten, dass der Strom aus der Steckdose kommt. So auch einen Rechtsanwalt, der auf die geplante Anschaffung einer Photovoltaikanlage einen Investitionsabzugsbetrag geltend machen wollte, um den daraus resultierenden steuerlichen Verlust mit anderen Einkünften zu verrechnen. Aber in Fällen der Betriebseröffnung sind an die Gewährung des Abzugsbetrags besondere Voraussetzungen geknüpft.

Sachverhalt
Der Anwalt erzielte auch Einkünfte aus der Vermietung eines Reiterhofs. In seiner Steuererklärung 2008 machte er einen Verlust aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage geltend, der aus einem 40 %igen Investitionsabzugsbetrag auf eine geplante Anschaffung resultierte. Die Anlage wurde allerdings erst im Jahr 2010 bestellt und auf der bestehenden Reithalle sowie einem ebenfalls neu errichteten Reitstall installiert. Der Anwalt konnte Angebote der beiden Investitionen aus Dezember 2009 vorlegen. Das Finanzamt lehnte den Abzug ab, weil im Fall der Betriebseröffnung die verbindliche Bestellung bis zum Ende des Abzugsjahres zu erfolgen habe. Der Anwalt sah die Investition als Ausfluss der Vermietung der Reithalle, so dass es sich nicht um eine Betriebsneugründung handele. Im Klageverfahren reichte er ein weiteres Angebot aus November 2008 nach. Dieses betraf jedoch eine Anlage höherer Kapazität und Anschaffungskosten, die auf der bestehenden Reithalle geplant, aber nicht realisiert wurde.

Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage des Anwalts ab. Nach dem Gesetzeswortlaut sei die Begünstigung an eine im Abzugsjahr zu erfüllende Investitionsabsicht geknüpft. Eine Absicht ließe sich nur durch eine Prognose der Investitionstätigkeit auf der Grundlage objektivierter wirtschaftlicher Gegebenheiten überprüfen. Der Nachweis könne allerdings auch anders als durch eine verbindliche Bestellung der wesentlichen Betriebsgrundlagen erbracht werden. Bestehe aber lediglich eine vage Investitionsplanung ohne konkreten Investitionsentschluss, fehle es an einer hinreichenden Investitionsabsicht. Daran ändere auch die spätere Anschaffung innerhalb der dreijährigen Investitionsfrist nichts. So sei zu vermuten, dass der Anwalt im Jahr 2008 nur den Markt beobachtet habe. Allein aus dem Angebot des Jahres 2008 - zudem für eine abweichende Anlage - könne nichts anderes geschlossen werden.

Konsequenz
Weil der Betrieb der Photovoltaikanlage einen Gewerbebetrieb darstellt, kann kein Zusammenhang mit der Vermietungstätigkeit hergestellt werden. Es gelten damit strengere Anforderungen an den Nachweis der Investitionsabsicht.

9. Frage nach Schwerbehinderung doch zulässig?

Kernfrage
Ob die Frage nach einer Schwerbehinderung im Vorstellungsgespräch zulässig ist, ist umstritten. Jedenfalls droht, wenn sie gestellt und der Bewerber nicht eingestellt wird, eine Inanspruchnahme auf Schadensersatz wegen Diskriminierung. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob die Frage nach einer Schwerbehinderung im laufenden Arbeitsverhältnis generell zulässig sein kann. Auch insoweit war die Rechtslage bisher streitig. Unstreitig war nur, dass - wenn die Frage unzulässig war - hierauf wahrheitswidrig geantwortet werden durfte.

Sachverhalt
Der zu 80 % schwerbehinderte Kläger war befristet beim Arbeitgeber beschäftigt. Als über das Vermögen des arbeitgebenden Unternehmens das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, fragte der Insolvenzverwalter bei der Belegschaft deren soziale Rahmendaten ab, unter anderem das Vorliegen einer Schwerbehinderung unter Verwendung eines Fragebogens. Hier verneinte der Kläger wahrheitswidrig seine Schwerbehinderung. Als das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, machte der Insolvenzverwalter von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch und beendete das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger, der hiergegen Kündigungsschutzklage aus den besonderen Schutzgründen der Schwerbehinderung einlegte.

Entscheidung
Der Kläger unterlag vor dem BAG. Der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte schütze den Kläger nicht, weil er die Frage nach der Schwerbehinderung wahrheitswidrig beantwortet habe. Die Frage nach der Schwerbehinderung sei im Vorfeld einer Kündigung, gerade wegen der bestehenden Schutzvorschriften für Schwerbehinderte zulässig. Anderenfalls könne der Arbeitgeber seinen Schutzpflichten nicht adäquat nachkommen. Dies gelte jedenfalls, wenn ein Arbeitsverhältnis sechs Monate bestehen würde und damit die besonderen Schutzmechanismen eingriffen. Eine Diskriminierung liege gerade nicht vor, weil sich der Arbeitnehmer widersprüchlich verhalten habe.

Konsequenz
Mit der Entscheidung ist geklärt, dass nach einem sechs Monate bestehenden Arbeitsverhältnis nach der Schwerbehinderung gefragt werden darf und die Frage wahrheitsgemäß zu beantworten ist; jedenfalls wenn Kündigungen im Raum stehen. Richtigerweise muss dies aber in allen Fällen gelten, in denen der Arbeitgeber um eine Schwerbehinderung wissen muss; dies schon deshalb, um die gesetzlichen Pflichten gegenüber Schwerbehinderten oder angesichts beschäftigter Schwerbehinderter (z. B. auch Schwerbehindertenabgabe) einhalten zu können.

10. Ist die Doppelbelastung mit Umsatz- und Grunderwerbsteuer zulässig?

Rechtslage
Das Umsatzsteuergesetz (UStG) sieht eine Befreiung für Umsätze vor, die unter das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) fallen. Wer nun glaubt, dass dies eine Doppelbelastung von Umsatz- und Grunderwerbsteuer ausschließt, der irrt, zumindest bisher. Die Sachlage kann sich nämlich durch eine neues Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) ändern. Nach der Rechtsprechung des BFH können unter bestimmten Voraussetzungen der Kauf eines Grundstückes sowie der Vertrag über dessen Bebauung als einheitliches Vertragswerk qualifiziert werden. Dies hat zur Folge, dass nicht nur der Erwerb des Grundstücks der Grunderwerbsteuer unterliegt, sondern auch die Baukosten inklusive die darin enthaltene Umsatzsteuer. Einen Widerspruch zur der o. g. Steuerbefreiung sieht der BFH nicht.

Sachverhalt
Die Kläger, ein Ehepaar, schlossen im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss eines notariellen Kaufvertrags über ein unbebautes Grundstück einen Bauvertrag zwecks Errichtung einer Doppelhaushälfte ab. Das Finanzamt stellte fest, dass neben dem Bauträger noch ein Baubetreuungsunternehmen in die Bauplanung involviert war. Letzteres hatte wiederum die Erlaubnis des Veräußerers des Grundstücks, dieses anzubieten. Aufgrund dieser Verflechtungen wertete das Finanzamt Grundstückskauf- und Bauvertrag als einheitliches Vertragswerk. Als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer zog es den Kaufpreis des Grundstückes und die Baukosten heran. Hiergegen klagte das Ehepaar.

Entscheidung
Das Niedersächsische Finanzgericht hält die Festsetzung von Grunderwerbsteuer auf Basis der Baukosten für rechtswidrig. Der der Festsetzung zugrunde liegenden Rechtsprechung des BFH folgt das FG nicht, da es diese u. a. als Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht wertet.

Konsequenz
Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen. Das Urteil des BFH ist abzuwarten. Bis dahin sollten entsprechende Veranlagungen bzw. Verfahren unter Verweis auf das anhängige Verfahren offen gehalten werden.

11. Strafzumessung bei Steuerhinterziehung in Millionenhöhe 

Kernaussage
Wer Steuern hinterzieht, wird nach dem Gesetz mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. In besonders schweren Fällen, z. B. wenn der Steuerpflichtige in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt hat, kann die Freiheitsstrafe sogar bis zu zehn Jahre betragen. Der Bundesgerichtshof entschied dazu kürzlich, dass bei Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zukünftig keine Bewährungsstrafe mehr in Betracht kommt.

Sachverhalt
Der angeklagte Steuerpflichtige war 2001 Mitgesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Diese und eine weitere Gesellschaft verkaufte er an eine AG für 80 Mio. DM. Zusätzlich zum gezahlten Kaufpreis erhielt er Aktien der AG im Wert von 7,2 Mio. DM als Gegenleistung dafür, dass er der AG den Kauf auch der anderen Gesellschaftsanteile ermöglicht hatte. Dieses Aktienpaket deklarierte er in seiner Einkommensteuererklärung wahrheitswidrig als weiteres Kaufpreiselement. Dadurch erlangte er die günstigere Versteuerung nach dem damals geltenden Halbeinkünfteverfahren für Veräußerungserlöse, so dass für das Jahr 2002 Einkommensteuer in Höhe von mehr als 890.000 EUR verkürzt wurde. Der Angeklagte war auch nach der Veräußerung weiter Geschäftsführer der GmbH, wofür ihm 2006 auch Tantiemen in Höhe von mehr als 570.000 EUR zustanden. Um die dafür zu entrichtende Lohnsteuer zu hinterziehen, veranlasste er - als "Gegenleistung" für einen "Verzicht" auf die Tantiemen - deren "Schenkung" an seine Ehefrau und seine Kinder unter Fertigung falscher Unterlagen. Die an sich fällige Lohnsteuer wurde dadurch in Höhe von 240.000 EUR verkürzt. Insgesamt wurden mehr als 1,1 Mio. EUR Steuern hinterzogen. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof (BGH) wollte diese Milde nicht walten lassen und hob die Bewährungsstrafe auf. Zwar nahm das Landgericht richtigerweise in beiden Fällen einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung an. Die Strafzumessung des Landgerichts war aber fehlerhaft, denn gewichtige Gesichtspunkte (z. B. das Zusammenwirken mit dem Steuerberater beim Erstellen manipulierter Unterlagen) blieben bei der Strafzumessung außer Betracht, wurden also mildernd berücksichtigt. Das Landgericht hatte sich offenbar rechtsfehlerhaft von der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung leiten lassen. Bei einer Steuerhinterziehung im großen Ausmaß, d. h. in Millionenhöhe, kommt eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe (von im Höchstmaß zwei Jahren) aber nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht; solche hatte das Landgericht hier nicht ausreichend dargetan.

Konsequenz
Das Urteil zeigt deutlich die Tendenz des BGH, Steuersünder künftig härter zu bestrafen. Bei Steuerhinterziehungen in Millionenhöhe und Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe sind Revisionen mit dem Ziel der Erreichung einer Bewährungsstrafe wohl in Zukunft als wenig aussichtsreich einzustufen. Es sei denn, es greifen besondere Milderungsgründe, wie z. B. ein im Wesentlichen steuerehrliches Verhalten des Täters im Tatzeitraum oder vor der Tat. Bedeutsam ist daher das Verhältnis der verkürzten zu den gezahlten Steuern. Auch ein frühzeitiges Geständnis, verbunden mit der Nachzahlung verkürzter Steuern kann strafmildernd wirken.

12. (Nur) Hälftiger Betriebsausgabenabzug im Rahmen einer Betriebsaufspaltung

Kernproblem
Überlässt eine Besitzgesellschaft wesentliche Betriebsgrundlagen (z. B. Grundbesitz) an eine Betriebsgesellschaft und verfügen die an den beiden Gesellschaften beteiligten Personen über einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen, liegt regelmäßig eine Betriebsaufspaltung vor. Verzichtet nun die Besitzgesellschaft auf ihre Pachteinnahmen gegenüber der Betriebsgesellschaft, stellt sich die Frage, wie die in Zusammenhang mit dem verpachteten Betriebsvermögen stehenden Aufwendungen steuerlich zu behandeln sind. Hierüber hatte nunmehr das Finanzgericht Münster zu entscheiden.

Sachverhalt
Der inzwischen verstorbene Ehemann der Klägerin verpachtete im Rahmen einer Betriebsaufspaltung Anlagevermögen an eine GmbH, deren Mehrheitsgesellschafter er war. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten der GmbH verzichtete er ab 2002 vorübergehend auf die Zahlung des Pachtentgelts. Im Fall der Besserung der wirtschaftlichen Lage der GmbH sollte die Forderung wieder aufleben. Eine entsprechende Forderung buchte die Besitzgesellschaft indes nicht ein. Nach Auffassung des Finanzamts steht der Verzicht auf die Pachteinnahmen im mittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit zukünftigen Gewinnausschüttungen der GmbH. Es gelte daher das Halbabzugsverbot des Einkommensteuergesetzes, so dass die mit den verpachteten Gegenständen zusammenhängenden Aufwendungen nur hälftig zu berücksichtigen seien. Das Finanzgericht Münster wies die Klage, mit der die Klägerin den vollen Betriebsausgabenabzug begehrte, ab.

Entscheidung
Nach Auffassung der Richter ist der Verzicht auf die Pachteinnahmen gesellschaftlich veranlasst, da dadurch der Gewinn der GmbH und damit ihre finanzielle Ausstattung für eine Gewinnausschüttung erhöht wird. Eine Ausnahme gelte lediglich für den Fall, dass der Pachtverzicht einem Fremdvergleich standhalte. Dieser Nachweis konnte vorliegend insbesondere deshalb nicht erbracht werden, weil das Besitzunternehmen keine Forderungen in ihren Bilanzen ausgewiesen und damit die Besserungsklausel nicht umgesetzt habe. Ein fremder Dritter hätte auch keinen Verzicht ausgesprochen, ohne zu wissen, in welcher Höhe er später mit Nachzahlungen rechnen könne.

Konsequenz
Das Urteil steht in Einklang mit Entscheidungen anderer Finanzgerichte. Es entspricht auch der von der Finanzverwaltung vertretenen und mit Schreiben vom November 2010 veröffentlichten Auffassung. Da die Frage allerdings bislang höchstrichterlich nicht entschieden ist, hat das Finanzgericht die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen.

13. Keine erweiterte Gewerbesteuerkürzung bei Betrieb einer Photovoltaikanlage

Kernproblem
Die ausschließliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes durch eine natürliche Person oder Personengesellschaft stellt keinen Gewerbebetrieb dar, mit der Folge, dass auch keine Gewerbesteuerpflicht besteht. Etwas anderes gilt, wenn die Grundstücksverwaltung durch eine Kapitalgesellschaft erfolgt, da diese bereits kraft ihrer Rechtsform als Gewerbebetrieb gilt. Zur Vermeidung dieser gewerbesteuerlichen Schlechterstellung, sieht das Gewerbesteuergesetz eine Kürzung des Gewerbeertrags um den Teil, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt, vor. Voraussetzung ist allerdings, dass die Kapitalgesellschaft "ausschließlich" einer entsprechenden begünstigten Tätigkeit nachgeht. Das Berliner Finanzgericht (FG) hatte aktuell zu entscheiden, ob der Betrieb von Photovoltaikanlagen auf den Dächern der vermieteten Objekte der gewerbesteuerlichen Begünstigung entgegensteht.

Sachverhalt
Die Steuerpflichtige war Eigentümerin mehrerer bebauter Grundstücke, die sie an Gewerbetreibende vermietete. Auf den Dächern ließ sie zwei Photovoltaikanlagen errichten. Der hieraus erzielte Strom wurde entgeltlich ins Stromnetz eingespeist. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung vertrat die Finanzverwaltung die Auffassung, dass der Betrieb der Photovoltaikanlage eine schädliche gewerbliche Tätigkeit darstelle, die dem genannten "Ausschließlichkeitsgebot" widerspreche. Die gewerbesteuerliche Begünstigung wurde entsprechend verwehrt. Die hiergegen gerichtete Klage beim FG Berlin-Brandenburg blieb erfolglos.

Entscheidung
In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung qualifiziert das FG den Betrieb einer Photovoltaikanlage als Gewerbebetrieb, auch wenn die Stromlieferung nur an einen einzigen Stromerzeuger erfolgt. Diese Tätigkeit stelle auch kein unschädliches Nebengeschäft dar, die dem Begriff der Grundstücksverwaltung zuzurechnen sei. Dem Ausschließlichkeitsgebot wurde somit nicht entsprochen. Unerheblich sei, dass die Einnahmen der Steuerpflichtigen nur zu 5 % aus der Stromeinspeisung stammten. Offen gelassen hat das Gericht allerdings, wie zu entscheiden gewesen wäre, wenn das klagende Unternehmen den durch die Photovoltaikanlagen produzierten Strom ausschließlich für den eigenen Grundbesitz genutzt hätte.

Konsequenz
Die Revision beim Bundesfinanzhof wurde zugelassen, jedoch erscheinen die Erfolgsaussichten begrenzt. Ungeachtet dessen empfiehlt es sich in der Praxis, die Photovoltaikanlage im Rahmen eines gesonderten Betriebs zu führen, um unliebsame steuerliche Überraschungen wie im vorliegenden Fall zu vermeiden.

14. Entfernungspauschale umfasst auch die 2. tägliche Fahrt zur Arbeit

Kernproblem
Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte werden mit der Entfernungspauschale abgegolten. Zur Abgeltung ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die regelmäßige Arbeitsstätte aufsucht, eine Pauschale von 30 Cent je vollen Entfernungskilometer anzusetzen. Das Gesetz sieht darüber hinaus keine zusätzliche Vergünstigung vor, wenn die Arbeitsstätte mehrfach täglich aufgesucht werden muss. Das war bis zum Jahr 2000 anders. Die damalige Regelung begünstigte auch weitere tägliche Fahrten, soweit sie durch einen zusätzlichen Arbeitseinsatz außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit oder durch eine Arbeitszeitunterbrechung von mindestens 4 Stunden veranlasst waren. Ein im Theater beschäftigter Chorsänger fühlte sich durch die jetzige Regelung zur Entfernungspauschale in seinen Grundrechten verletzt und klagte vor dem Finanzgericht.

Sachverhalt
Der Chorsänger hatte in den Streitjahren überwiegend (im Durchschnitt 166 Tage jährlich) zweimal täglich von zu Hause aus das Theater aufsuchen müssen, da er nach dem Arbeitsvertrag sowohl an den Proben als auch an den Aufführungen teilnehmen musste. Nach der früheren Regelung hätten die Voraussetzungen eines zusätzlichen Werbungskostenabzugs vorgelegen, denn die Pause zwischen Proben und Aufführungen betrug mindestens vier Stunden. Das Finanzamt lehnte den Ansatz der "Doppelfahrten" ab. Der Sänger sah hierin einen Verstoß gegen das Netto-Prinzip und sah sich bei seiner Klage durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegen das Werkstorprinzip gestärkt.

Entscheidung
Das Hessische Finanzgericht beließ es bei der Abgeltung durch "einfache" Entfernungspauschale. Zwar läge nach eine Ungleichbehandlung zu solchen Arbeitnehmern vor, die trotz geringeren Aufwands für die Fahrten zur Arbeitsstätte ebenfalls die volle Entfernungspauschale erhielten, und auch das objektive Nettoprinzip sei durchbrochen. Die Richter tolerierten das jedoch im Interesse eines vereinfachten Steuerverfahrens und sahen keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung, weil es sich bei Mehrfachfahrten um untypische Sachverhalte handele. Hier stehe dem Gesetzgeber ein Typisierungsspielraum zu, in dessen Rahmen er sich auch bewegt habe. So hätte die bis zum Jahr 2000 geltende Regelung häufig zu zeitintensiven und aufwendigen Prüfungen geführt.

Konsequenz
Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat allerdings bereits früher bei einem Opernsänger die "einfache" Entfernungspauschale toleriert (ebenso das FG Sachsen-Anhalt - auch ein Opernsänger - und das FG Münster bei einem Verkäufer). Wenn kein Umdenkprozess beim BFH stattfindet, ist leider keine andere Entscheidung zu erwarten. Dies trifft dann nicht nur die offensichtlich verstärkt streitsuchenden Sänger, sondern insbesondere Berufsgruppen im Verkauf oder der Gastronomie.

15. Nachweis von Krankheitskosten unterliegt strengen Regeln

Kernproblem
Ändert sich eine langjährige Rechtsprechung zuungunsten der Finanzverwaltung, wird häufig der Versuch unternommen, durch Gesetzesänderung den ursprünglichen Rechtszustand wieder herbeizuführen. Beispiele hierzu sind die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) zur steuerlichen Behandlung von Erstausbildungskosten bzw. des Erststudiums als Werbungskosten, zur Verneinung der Steuererstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen oder die Zulassung erleichterter Nachweispflichten zum Abzug von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen. Im letztgenannten Fall hatte der BFH im Jahr 2010 einen formalisierten Nachweis der medizinischen Notwendigkeit durch ein vorheriges amtsärztliches Attest mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung für nicht erforderlich gehalten. Das heilte der Gesetzgeber mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 und führte den formalisierten Nachweis mit Wirkung für alle offenen Fälle ein. Es hat nicht lange gedauert, bis sich ein Finanzgericht mit der Verfassungsmäßigkeit dieser "Rückwirkung" auseinandersetzen musste.

Sachverhalt
Im Streitfall hatten Eltern ihren an Legasthenie leidenden Sohn auf Empfehlung eines Facharztes sowie des schulpsychologischen Dienstes in einem Internat untergebracht. Den von den Eltern für das Jahr 2007 beantragten Abzug der selbst getragenen Internatskosten sowie für Heimfahrten des Sohnes als außergewöhnliche Belastungen lehnte das Finanzamt mangels Nachweis durch ein vorher ausgestelltes amtsärztliches Attest ab. Hiergegen klagten die Eltern beim Finanzgericht Münster.

Entscheidung
Die Finanzrichter wiesen die Klage mit Hinweis auf die neu eingeführte gesetzliche Forderung nach einem amtsärztlichen Attest bzw. einer Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ab. Die gesetzliche Rückwirkung tolerierten die Richter als "ausnahmsweise zulässig", denn der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung lediglich die Rechtslage vor Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung festgeschrieben. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Eltern bestehe auch nicht, weil der BFH seine Rechtsprechung erst Ende 2010 geändert habe. Somit bestand nach Auffassung der Richter für die Eltern im Streitjahr 2007 kein Anlass zu der Annahme, dass sie die streitigen Aufwendungen anders - als durch Vorlage eines amtsärztlichen Attestes - nachweisen könnten.

Konsequenz
Das Gericht hat die Revision beim BFH zugelassen. Sollte diese eingelegt werden, bietet sich in vergleichbaren Fällen die Möglichkeit, durch Einspruch und Antrag auf ein Ruhen des Verfahrens von einem positiven Ausgang zu profitieren.

16. Beschwerde gegen die Insolvenzverfahrenseröffnung nach Eigenantrag?

Kernaussage
Ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer natürlichen oder juristischen Person (Privatperson oder z. B. Gesellschaft) wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind der Schuldner selbst und dessen Gläubiger. Gegen die, auf Antrag eines Gläubigers erfolgte Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Schuldner Beschwerde einlegen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte hierzu aktuell zu entscheiden, ob eine Beschwerde des Schuldners auch dann zulässig ist, wenn der Eröffnungsgrund (Zahlungsunfähigkeit) nachträglich beseitigt wird und neben dem Antrag eines Gläubigers auch ein Eigenantrag des Schuldners existiert.

Sachverhalt
Eine Krankenkasse stellte gegen den Schuldner, einen Rechtsanwalt, wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge einen Insolvenzantrag. Der Rechtsanwalt beantragte daraufhin ebenfalls die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Kurz nach Verfahrenseröffnung durch das Amtsgericht wurden die Beitragsrückstände beglichen; die Krankenkasse und der Rechtsanwalt nahmen jeweils ihre Eröffnungsanträge zurück. Die von dem Rechtsanwalt sodann gegen die Eröffnung eingelegte Beschwerde wurde von allen Instanzen als unzulässig verworfen.

Entscheidung
Wird das Insolvenzverfahren auf Antrag des Schuldners eröffnet, steht ihm gegen diese Entscheidung grundsätzlich kein Beschwerderecht zu, auch dann nicht, wenn neben dem Schuldner ein Gläubiger einen Eröffnungsantrag gestellt hat. So war es auch hier: der Rechtsanwalt war durch den Eröffnungsbeschluss nicht beschwert. Über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Schuldners kann, wenn mehrere Anträge gestellt sind, nur einheitlich entschieden werden; die Insolvenzanträge sind miteinander zu verbinden. Infolge der Verbindung beruht die Eröffnung auch auf dem Antrag des Schuldners. Vorliegend war nicht ersichtlich, dass der Rechtsanwalt das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit durch eine Veränderung der Umstände zwischen Stellung des Eigenantrags und der Verfahrenseröffnung in Frage stellen wollte. Weil der Anwalt selbst einen Eröffnungsantrag gestellt hatte, konnte er sich allenfalls auf einen späteren Wegfall des Eröffnungsgrundes berufen. Er konnte indes nicht geltend machen, es habe von Anfang an kein Eröffnungsgrund vorgelegen. Sind die Eröffnungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung gegeben, kann diese nicht durch den nachträglichen Ausgleich der Forderung des Gläubigers zu Fall gebracht werden.

Konsequenz
Ein bloßer Sinneswandel des Schuldners nach Antragstellung, der nicht zur Rücknahme des Insolvenzantrags vor der Verfahrenseröffnung geführt hat, begründet keine Beschwer.

17. Wann sind Steuern "in großem Ausmaß" hinterzogen?

Kernaussage
Wer Steuern hinterzieht und dabei einen "besonders schweren Fall" verwirklicht, dem droht eine Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren. Eine Geldstrafe kommt daher bei Steuerverkürzungen im großen Ausmaß nicht mehr in Betracht. Der Bundesgerichtshof (BGH) nahm nun in einem jüngeren Urteil zur Wertgrenze des Merkmals "in großem Ausmaß" beim Griff in die Staatskasse Stellung.

Sachverhalt
Vor dem Landgericht war der Angeklagte wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden. Trotz Revision ließ der BGH das Urteil bestehen, korrigierte jedoch die Ansicht des Landgerichts, die Grenze der Steuerhinterziehung "im großen Ausmaß" sei stets erst bei einer Verkürzung von 100.000 EUR überschritten. Zudem erteilte der BGH der landgerichtlichen Auffassung, es mache für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung in großem Ausmaß einen Unterschied, ob ein durch die Tat erlangtes (scheinbares) Steuerguthaben ausgezahlt oder aber mit anderen Steuerschulden verrechnet werde, eine klare Absage.

Entscheidung
Das gesetzliche Merkmal der Steuerhinterziehung "im großen Ausmaß" bestimmt sich nach objektiven Maßstäben. Es liegt grundsätzlich dann vor, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 EUR übersteigt. Diese Betragsgrenze kommt dann zur Anwendung, wenn der Täter ungerechtfertigte Zahlungen vom Finanzamt erlangt hat, etwa bei Steuererstattungen durch Umsatzsteuerkarusselle, Kettengeschäfte oder durch Einschaltung von so genannten Serviceunternehmen ("Griff in die Kasse"). Bei Überschreiten der Wertgrenze ist das Merkmal erfüllt. Lässt der Täter dagegen lediglich die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis und führt dies nur zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, liegt die Wertgrenze zum "großen Ausmaß" bei 100.000 EUR. Dasselbe gilt, wenn der Steuerpflichtige zwar eine Steuerhinterziehung durch aktives Tun begeht, indem er eine unvollständige Steuererklärung abgibt, er dabei aber lediglich steuerpflichtige Einkünfte oder Umsätze verschweigt und allein dadurch eine Gefährdung des Steueranspruchs herbeiführt. Täuscht der Täter allerdings steuermindernde Umstände vor, indem er z. B. tatsächlich nicht vorhandene Betriebsausgaben vortäuscht oder nicht bestehende Vorsteuerbeträge geltend macht, bleibt es für das gesetzliche Merkmal "in großem Ausmaß" bei der Wertgrenze von 50.000 EUR. Denn in einem solchen Fall beschränkt sich das Verhalten des Täters nicht darauf, den bestehenden Steueranspruch durch bloßes Verschweigen von Einkünften oder Umsätzen zu gefährden. Vielmehr unternimmt er einen "Griff in die Staatskasse", weil die Tat zu einer Erstattung eines (tatsächlich nicht bestehenden) Steuerguthabens oder zum (scheinbaren) Erlöschen einer bestehenden Steuerforderung führen soll.

Konsequenz
Eine nachträgliche "Schadenswiedergutmachung" hat für die Frage, ob eine Steuerhinterziehung "in großem Ausmaß" vorliegt, keine Bedeutung. Die Höhe des auf Dauer beim Fiskus verbleibenden "Steuerschadens" ist ein Umstand, der nur als Erwägung in die Strafzumessung einbezogen werden kann.

18. Entfernungspauschale für offensichtlich verkehrsgünstigere Verbindung?

Kernproblem
Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte werden mit der Entfernungspauschale abgegolten. Für die Bestimmung der Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung maßgebend. Eine längere Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig benutzt wird. In diesen an sich eindeutigen Gesetzestext werden sowohl einschränkende als auch erweiternde Regelungen hineininterpretiert, wenn einmal nicht die kürzeste Entfernung in der Einkommensteuererklärung zum Ansatz kommen soll. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat hier mit zwei Entscheidungen für Klarheit gesorgt.

Sachverhalt
In dem einen Streitfall hatte das Finanzamt mit Billigung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz eine tatsächlich genutzte längere verkehrsgünstigere Strecke nicht anerkannt, weil eine willkürlich verlangte Fahrtzeitverkürzung von mindestens zwanzig Minuten nicht erreicht wurde. Dagegen hatte das Finanzgericht Düsseldorf sogar eine längere Strecke toleriert, die den Finanzrichtern zwar offensichtlich verkehrsgünstiger erschien, aber tatsächlich nicht benutzt wurde.

Entscheidung
Es liegt nahe, dass der BFH nur einen der beiden Fälle zugunsten der Steuerzahler entscheiden konnte. Den Streit verloren hat der Arbeitnehmer mit "fiktiver Umwegstrecke". Hier haben die Richter klargestellt, dass nur eine tatsächlich zurückgelegte Strecke in Betracht kommt. Der Ansatz einer bloß möglichen, aber vom Steuerpflichtigen nicht benutzten Straßenverbindung scheidet kategorisch aus. Dagegen trat der BFH dem Verlangen nach einer mindestens zwanzigminütigen Zeitersparnis entgegen. Hier seien vielmehr alle Umstände des Einzelfalls, wie z. B. die Streckenführung, die Schaltung von Ampeln o. ä. in die Beurteilung einzubeziehen. Eine Straßenverbindung könne auch dann "offensichtlich verkehrsgünstiger" sein, wenn bei ihrer Benutzung nur eine geringe Zeitersparnis zu erwarten sei.

Konsequenz
Zu Recht weist der BFH in seiner Urteilsbegründung darauf hin, dass die Forderung nach einer zwanzigminütigen Zeitersparnis die Erweiterungsmöglichkeit für Arbeitnehmer mit insgesamt geringerer Fahrzeit zur Arbeit komplett ausschließen würde. Dagegen sieht er jedoch in einer geringfügigen Verkürzung von unter 10 % keinen ausschlaggebenden Anreiz für die Wahl einer abweichenden Route. Die 10 %-Grenze sollte daher als Anhaltspunkt dienen und eingehalten werden, um am Ende erfolgreich argumentieren zu können.

19. Berechnung der Schadensersatzhöhe bei anrechenbaren Steuervorteilen

Kernaussage
Nimmt eine Partei die andere auf Zahlung von Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung bei einer Fondsbeteiligung in Anspruch, ergibt sich der Schadensersatzumfang aus dem Gesetz. Der Geschädigte kann vom Schädiger verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er die Beteiligung nicht gezeichnet. Er hat also grundsätzlich einen Anspruch auf Rückerstattung der von ihm geleisteten Bareinlage nebst Agio gegen Rückübertragung der Beteiligung. Dazu entschied das Frankfurter Oberlandesgericht nun, dass dabei eine Anrechnung von Steuervorteilen im Einzelfall angezeigt sein kann.

Sachverhalt
Im Rahmen einer auf Falschberatung im Zusammenhang mit einer Fondsbeteiligung gestützten Schadensersatzklage hatte das erstinstanzliche Landgericht den beklagten Berater zur Rückzahlung der Einlage nebst Agio und Verzugszinsen Zug-um-Zug gegen Übertragung der Beteiligung. Das Gericht war hierbei der Ansicht, dass Steuervorteile nicht im Wege der Vorteilsausgleichung in Ansatz zu bringen seien, da die Schadensersatzleistung selbst zu versteuern sei. Der Beklagte war anderer Auffassung: der Kläger müsse sich die gezogenen Steuervorteile anrechnen lassen. Dass die nach Abzug der Steuervorteile verbleibende Schadensersatzleistung zu versteuern sei, sei ein zukünftiger Nachteil, den der Kläger über einen Feststellungsantrag abfangen könne, der aber für die Berechnung des Zahlungsantrags außer Betracht zu bleiben habe. Das Oberlandesgericht teilte schließlich die Ansicht des Beraters zur Vorteilsanrechnung.

Entscheidung
Zwar hatte die Vorinstanz zu Recht eine Schadensersatzpflicht des Beraters wegen einer Aufklärungspflichtverletzung bejaht. Ausnahmsweise war aber eine Anrechnung von Steuervorteilen vorzunehmen, auch wenn diese grundsätzlich selbst dann außer Betracht bleiben muss, wenn die Rückabwicklung des Erwerbs ihrerseits zu einer Besteuerung die dem Geschädigten die erzielten Steuervorteile wieder nimmt. Etwas anderes gilt nur, wenn der Schädiger Umstände darlegt, auf deren Grundlage dem Geschädigten auch unter Berücksichtigung der Steuerbarkeit der Ersatzleistung außergewöhnlich hohe Steuervorteile verbleiben oder er gar Verlustzuweisungen erhalten hat, die über seine Einlageleistungen hinausgehen. So auch hier: bedingt durch die Fondsstruktur erhielt der Anleger für 2002 eine Verlustzuweisung, die selbst nach der Korrektur durch das Finanzamt noch ca. 92,02 % der Nominaleinlage betrug, während als Anlagebetrag nur 55 % der Einlage zzgl. 3 % Agio zu leisten waren. Es standen somit anfängliche Verlustzuweisungen von 23.004 EUR einer tatsächlichen Einlageleistung von nur 14.500 EUR inklusive Agio gegenüber. Damit war von außergewöhnlichen Vorteilen auszugehen.

Konsequenz
Das Urteil überzeugt, denn die das zu versteuernde Einkommen senkenden Verlustzuweisungen und die das zu versteuernde Einkommen erhöhende Schadensersatzleistung sollen sich in etwa die Waage halten. Überschreiten die Verlustzuweisungen bezogen auf den Anlagebetrag die 100 %-Grenze, eröffnet dies die Möglichkeit für etwaige dem Anleger abweichend vom Regelfall billigerweise auf die Entschädigungsleistung anzurechnenden außergewöhnlichen Steuervorteile.

20. Urlaubsanspruch darf nicht von effektiver Mindestarbeitszeit abhängen

Kernfrage
Anders als das deutsche Recht und die europarechtlichen Vorgaben, sieht das französische Recht vor, dass der jährliche Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers nur dann entsteht, wenn der Arbeitnehmer mindestens 10 Tage im Jahr gearbeitet hat. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob der Jahresurlaub national von solchen Voraussetzungen abhängig gemacht werden darf, die sich nicht aus den einschlägigen europarechtlichen Regelungen ergeben.

Sachverhalt
Der Kläger war in Frankreich bei einem privaten Unternehmen beschäftigt und aufgrund eines Arbeitsunfalls über zwei Jahre hinweg arbeitsunfähig erkrankt. Nach Rückkehr in das Unternehmen verlangte er die Nachgewährung des Urlaubs der letzten zwei Jahre, hilfsweise die Urlaubsabgeltung. Der Arbeitgeber berief sich hingegen auf die französische Regelung, dass der Urlaub deswegen nicht entstanden sei, weil sie nicht 10 Tage im Jahr gearbeitet habe.

Entscheidung
Der vom französischen Gericht mit Rücksicht auf die Frage der Vereinbarkeit der französischen Regelung mit dem Europarecht angerufene Europäische Gerichtshof urteilte zugunsten des Klägers. Es sei europarechtswidrig, wenn der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht werde, die nicht in den europäischen Richtlinien für die Gewährung von Erholungsurlaub enthalten seien. Konkret dürfe für die Urlaubsgewährung keine Mindestarbeitszeit gefordert werden. Auf dieser Basis gab der Europäische Gerichtshof folgende Weisungen für das weitere französische Verfahren: Es sei zunächst zu klären, ob die französische Rechtsnorm dahingehend ausgelegt werden könne, dass eine Mindestarbeitszeit bei einem Arbeitsunfall nicht erforderlich sei. Sei dies nicht möglich, habe der für einen öffentlichen Arbeitgeber tätige Arbeitnehmer einen Anspruch direkt gegen den Arbeitgeber, weil für diesen die europäischen Rechtsnormen unmittelbar gelten. Bei einer Anstellung bei einem privaten Arbeitgeber habe er allerdings lediglich einen Schadensersatzanspruch gegen den französischen Staat, der hier Europarecht verletze.

Konsequenz
Auch wenn die Regelung nicht eins zu eins auf Deutschland anwendbar ist, zeigt sie doch die Systematik der sich aus Europarechtsverletzungen ergebenden Haftungsansprüche; gegebenenfalls gegenüber dem verletzenden Staat. Darüber hinaus ist die Entscheidung in Deutschland insoweit einschlägig, als dass es möglich sein kann, dass in Arbeitsverträgen europarechtswidrige Voraussetzungen für die Urlaubsgewährung enthalten sein können.

21. Anrechnung nicht festgesetzter Steuer nach Verjährung korrigierbar?

Kernaussage
Das Finanzamt kann versehentlich zu viel angerechnete und an der Steuerpflichtigen erstattete Lohnsteuer nicht mehr zurückfordern, wenn seit dem Erlass des Einkommensteuerbescheides mehr als 5 Jahre vergangen sind. Zu diesem Zeitpunkt entsteht nämlich der Rückforderungsanspruch, der der 5-jährigen Zahlungsverjährungsfrist unterliegt. Auf den Zeitpunkt der Änderung der Anrechungsverfügung kommt es nicht an, denn diese ist ein bloß bestätigender Verwaltungsakt, der keine zusätzlichen Ansprüche begründet.

Sachverhalt
Die Kläger sind für das Jahr 1997 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden. Den ursprünglichen Steuerbescheid hatte das Finanzamt 2002 nach einem Einspruchsverfahren geändert und in diesem Zusammenhang eine Anrechnungsverfügung erlassen, die aufgrund eines Eingabefehlers die für die Kläger einbehaltende Lohnsteuer um das zehnfache zu hoch ausrechnete. Dies führte zu einer Rückerstattung an die Kläger in Höhe von 85.000 EUR, die die Kläger stillschweigend vereinnahmten. In 2008 erkannte das Finanzamt seinen Fehler, korrigierte die Anrechnungsverfügung und forderte die Kläger als Gesamtschuldner auf, die zu Unrecht erstatteten Steuern nebst Zinsen zurück zu zahlen. Hiergegen richtet sich die Klage, die vom Finanzgericht abgewiesen wurde.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (BFH) gab den Klägern Recht, denn der Rückforderungsanspruch hat seine Grundlage in dem Steuerfestsetzungsbescheid. Sind seit Erlass des Steuerbescheides 5 Jahre abgelaufen, tritt Verjährung ein, denn nach Ablauf dieser Frist soll Rechtssicherheit darüber eintreten, was der Steuerpflichtige aufgrund der ergangenen Steuerfestsetzung noch zu zahlen hat bzw. was an ihn erstattet wird. Nach Ablauf dieser Frist kann weder das Finanzamt Zahlungsansprüche geltend machen, noch kann der Steuerpflichtige verlangen, dass auf die festgesetzte Steuer nachträglich etwas angerechnet und erstattet wird. Auf den Zeitpunkt der Änderungsverfügung kommt es nicht an, zumal diese ein deklaratorischer, bloß bestätigender Verwaltungsakt ist, der keine über den Steuerfestsetzungsbescheid hinausgehenden Ansprüche begründet.

Konsequenz
Dem BFH ist zuzustimmen. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet, dass der Rückforderungsanspruch des Finanzamts ebenso wie der Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen nach 5 Jahren, bezogen auf den Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheides, verjährt. Würde auf die Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Steuerfestsetzung abgestellt, liefe die Verjährungsfrist praktisch ins Leere.

22. Enge Voraussetzungen für Schadensersatzanspruch bei Mobbing

Rechtslage
In Mobbingfällen stellt sich regelmäßig die Frage, inwieweit der mobbende Kollege oder sogar der Arbeitgeber gegenüber dem gemobbten Kollegen zum Schadensersatz und/oder zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verpflichtet ist. Dabei ist bereits unklar, wann die Grenze des Mobbings überschritten ist bzw. wann es sich nur um eine "normale" Auseinandersetzung handelt. Allein Einigkeit besteht darüber, dass Mobbing ein gezieltes und systematisches Verhalten über einen längeren Zeitraum hinweg voraussetzt. Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte zu den Voraussetzungen von Ansprüchen wegen Mobbings zu entscheiden.

Sachverhalt
Der Kläger erhob über mehrere Jahre hinweg Mobbing-Vorwürfe gegen seinen unmittelbaren Vorgesetzten, der ihm bei der Bewerbung auf die Vorgesetztenstelle vorgezogen worden war. Zwischenzeitlich war der Kläger in psychiatrischer Behandlung und arbeitsunfähig. Eine zunächst wegen des Mobbings gegen den Arbeitgeber gerichtete Klage wurde im Verfahren durch Vergleich erledigt, der Kläger daraufhin im Betrieb versetzt. Im hier streitigen Verfahren machte er Schmerzensgeldansprüche gegen den mobbenden Vorgesetzten geltend, unterlag jedoch.

Entscheidung
Zwar bestehe die grundsätzliche Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches, wenn ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen würde. Im Arbeitsleben übliche Konflikte seien aber, auch wenn sie über einen längeren Zeitraum hinweg andauerten, nicht geeignet, diese strengen Voraussetzungen zu erfüllen. Da im vorliegenden Fall lediglich arbeitstypische Auseinandersetzungen im Raum standen, fehlte es insbesondere an der mobbingtypischen Schaffung eines feindlichen Umfelds.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt, welche, insbesondere im Hinblick auf Beweisfragen, verhältnismäßig hohen Hürden einem Schadensersatz wegen Mobbings im Wege stehen. Gerade die Systematik, mit der Mobbing erfolgen muss, wird regelmäßig schwer nachzuweisen sein.



Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen



Stephan Gißewski

Steuerberater


Ulmenweg 6-8 - 32760 Detmold
Tel.: 05231 / 933 460
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